Mittwoch, 12. April 2017

rom,
wir haben uns daran gewöhnt, in der stadt unterwegs zu sein, in den engen gassen, die keine bürgersteige haben und in denen autos, mofas und menschen sich vorsichtig aneinander vorbeischieben, über die größeren straßen und kreuzungen gehen wir mit den anderen, gleiten durch die lücken, die entstehen oder gelassen werden, bewegung ohne stocken, ununterbrochen, fliessend
auf dem rückweg unter den platanen, die das grelle licht der sonne filtern, weich werden und zerfallen lassen, sehe ich auf den fluss, das wasser des tibers ist ein undurchsichtiges helles grün und es scheint mir keine richtung zu haben, nur leicht kräuselt es sich auf seiner oberfläche, ich habe in der hitze des mittags das gefühl: hier sein und einen augenblick stehen bleiben können

Samstag, 8. April 2017

chiesa santa barbara dei librai,
musiche e meditazioni sul tempo di passione,
wir kommen am abend in die kleine kirche, kurz bevor das konzert beginnt, wir spüren, dass die leute auf etwas warten, 
ein chor aus etwa zehn frauen, alle mit weitem, blauem kleid, ihnen gegenüber auf der empore eine frau und ein mann, die zwischen den gesängen die texte sprechen
figlio, figlio, figlio mio
eine klage, ein rufen, die frauen, wie sie beim singen einander ansehen, aufeinander achten, sich freuen, wenn etwas gelingt, das vieltonige blau ihrer gewänder im halbrund der apsis, ihre stimmen im raum
wir: großmutter, mutter und tochter
und das leid und die freude aller frauen in allen zeiten, vor uns, nach uns
an was ich mich erinnere, sehr körperlich, gestern
am flughafen die sicherheitskontrolle, wie ich mit ausgebreiteten armen dastehen muss, inmitten der menschen in dem großen raum, die frau, die mich am ganzen körper mit ihren händen betastet, immer wieder die brüste, den bauch, die beine,

am abend, als wir noch einmal in die bäckerei zurückkehren wollen um noch ein brot für morgen früh zu kaufen, beim eintreten die frau, die uns entgegen die tür schließen will, wir aber noch wie von einer welle getragen an ihr vorbei hineinströhmen, durch eine engstelle, die wir berühren,

als wir über die galerie im innenhof auf unserer etage zu unserer wohung kommen und am fenster der nachbarn vorbeilaufen der blick auf ein bett, auf dem vorhin noch die beiden kinder, ein junge und ein mädchen, mit ihren handys nebeneinander lagen, jetzt direkt neben mir schlafend das kleine faltige gesicht einer frau, im raum ist licht und jemand hantiert am tisch
rom,
palazzo altemps, 
sehr schönes sonnendurchflutetes gebäude mit zauberhaftem innenhof, bemalte wände und decken auf der galerie, nach süden und zum hof offen
zugemauerte fenster bemalt, als wäre es glas, in dem sich die bögen zum hof, schatten und licht, spiegeln, gleichzeitig mit störungen in der malerei, wirbeln, flecken, farbe
auf der galerie ein gemaltes fensterglas, als wäre es eine fläche, aber über eine wölbung in der wand gemalt, so dass sich die gemalten linien und flächen biegen

ein wunderbarer, schmerzlich schöner kopf einer schlafenden nymphe, liegend auf einem grünen marmorsockel, als halbrelief


zwischen wirklich und unwirklich