Mittwoch, 21. November 2018

auf dem radweg an der elbe steht seit ein paar wochen am morgen und am abend eine schar gänse, nur widerwillig weichen sie mir aus, bilden eine gasse und laufen langsam und schimpfend ins magere gras an den seiten, 
ich sehe ihre großen schweren körper auf den dünnen, leuchtend orangenen beinen, ihr schönes gefieder, unbeschmutzt und unversehrt, in vielen grautönen schimmernd, glänzend, 
wenn es regnet, tragen sie kleine runde wasserperlen auf ihren rücken

Samstag, 10. November 2018


Dienstag, 9. Oktober 2018

im großen garten am morgen liegt eine weiße nebelbank über der wiese, darin sehr klein, sehr fern eine frau, deren seltsame bewegungen mir auffallen, so dass ich genauer hinsehe
sie beugt sich nach unten und taucht ihre hände in das gras, streift mit einer ausladenden bewegung hindurch und dann mit beiden händen über ihr gesicht, wobei sie sich aufrichtet und ein stück geht
sich nach vorn beugt, wieder und wieder, sie wäscht sich mit tau, sie greift in den nebel und verschlingt ihn

Freitag, 14. September 2018


Montag, 10. September 2018


für ein paar minuten auf die unendlichkeit zuschwimmen
ringsum das wasser, seine gekräuselte schimmernde oberfläche, das leichte schwingen, riesig maßlos ohne ende, ich schwinde und schrumpfe darin, ein winziger augenblick in der ewigkeit, das graublaue element ein formloses gleitendes ganzes, 
formlos aber gefasst, denke ich als ich mich umdrehe und zum strand sehe, sofort in das vertraute maß zurückfinde

Mittwoch, 5. September 2018

ich öffne die tür zum waschraum, dort steht eine junge frau über das waschbecken gebeugt und schaut mich erschrocken aus großen augen an, meine begrüßung erwidert sie nicht, sie wäscht ihre hände unter dem wasserstrahl, 
ich gehe mit meinem pinsel und der seife an das zweite waschbecken daneben, und während das wasser die farbe aus dem pinsel spült, sehe ich, wie sie neben mir ihre fingerkuppen reibt, sie reagiert auf meinen blick und greift nach dem wasserhahn, dann entschließt sie sich zu einem lächeln und stellt sich den strahl wieder ein, 
eine weile stehen wir so nebeneinander, gleichzeitig, in das einseifen und ausspülen vertieft

Dienstag, 4. September 2018


Samstag, 11. August 2018

nach dem schwimmen im freibad liege ich auf den heißen steinstufen in der nachmittagssonne, rufe, schreie, nahe und ferne stimmen, mitten darin bin ich eine insel aus stille

Dienstag, 7. August 2018


Freitag, 29. Juni 2018


Montag, 11. Juni 2018

balkon am abend: der himmel über mir, leichte gefiederwolken, die sich allmählich rosa färben, schnell schiessende schwalben und das geflatter schwarzer krähen in den baumkronen in augenhöhe

Samstag, 9. Juni 2018

abschied von der hüblerstraße
in der hitze des nachmittages habe ich den letzten müll eimer für eimer zu den tonnen getragen, ich mache ganz langsame bewegungen
der weg aus der wohnung die halbe treppe hinunter, aus der haustür hinaus, zweimal rechts, ich kenne seine genaue länge, seine beschaffenheit unter den füßen, das fleischfarbene linoleum der stufen, die schön gemusterten fliesen am eingang, das licht und die wärme, die beim hinaustreten auf mich fallen, die kleinen farbigen steine und die größeren grauen, wenn ich ums haus biege, blind und im schlaf, ich bin der weg, ich bin der ort, er ist ein teil von mir

Dienstag, 29. Mai 2018

am abend in der dämmerung sehe ich vom balkon aus zwischen den kronen zweier bäume eine vom mond beleuchtete kleine haufenwolke, deren form der der dunklen baumkronen vollkommen ähnelt,
ich weiss, dass sie verschiedener kaum sein können und weiter entfernt voneinander, aber es ist nicht das, was ich sehen kann

Samstag, 19. Mai 2018

bern, unter der zytglogge
heute früh ist alles rings um das haus im weißen nebel verschwunden, aber das weiß leuchtet, füllt sich immer mehr mit licht bis die ersten farben erscheinen, ein unendlich zartes blau, unaufhaltsam, die welt entsteht

Samstag, 12. Mai 2018

bern, münsterplattform
mit meinem essen in der hand möchte ich mich auf eine der langen grünen bänke setzen, deren plätze bequem und am mittag im halbschatten der kastanien sehr beliebt sind,
ich bin nicht sicher, wie ich die schwarze frau, die in einer ecke platz genommen hat, grüßen und um ihr einverständnis bitten soll, sie ist etwa in meinem alter, allein, gut gekleidet, aufrecht, ich nicke ihr zu und sie sagt bonjour
später, während ich diese szene notiere, spricht sie mich an, auf französisch zuerst, und als ich signalisiere, dass ich diese sprache nicht verstehe, wechselt sie ins englische, sie bittet mich, auf ihre tasche zu achten, weil sie noch zur toilette gehen will, ihr englisch ist flüssig, leicht und selbstverständlich
no problem
bern
brunnen: wie das licht vom wasser gespiegelt auf dem stein zittert

Donnerstag, 10. Mai 2018

bern
wenn ich am morgen aus der unterführung am bahnhof komme, steht dort an der seite ein mann, dessen alter schwer zu schätzen ist, er sieht arm aus und erschöpft und hält ausgestreckt vor sich eine büchse, er sieht uns an
gestern, als eine frau ihm im vorbeigehen ein geldstück in die büchse wirft, bittet er sie, einen augenblick zu warten, wendet sich um, wo er unter einer bank seine tasche abgestellt hat, aus der er einen kleinen strauß flieder zieht, die frau ist vollkommen überrascht und strahlt 
er hat getauscht
bern
jugendliche, die mit dem bus zur schule unterwegs sind, begrüßen einander mit einer dreifachen geste: einer berührung der handflächen, einer der fäuste und einer dritten bewegung, die an der eigenen brust endet

Mittwoch, 9. Mai 2018

bern
am morgen und am abend im bus und in der bahn menschen aus allen teilen der erde, die eines gemeinsam haben: sie sprechen ein schweizerdeutsch, dass ich nicht verstehe

Montag, 7. Mai 2018

bern
am abend nach dem gewitter ist plötzlich das gebirge sichtbar, nah und groß, aus stein und weißem schnee, licht und wolken, die es berühren und sich vermischen 
in einem anblick

Sonntag, 22. April 2018


Freitag, 20. April 2018

nach oben sehen ins geäst der bäume, kahle äste und erstes grün an den zweigen, darüber am blauen himmel schnell ziehende einzelne weiße wolken, zwei tiefenschichten, zwei strukturen, die in einer anderen zeit entstehen, anderen gesetzen gehorchen, keinen kontakt zueinander haben - und doch mit mir und miteinander zusammenhängen, unsichtbar, im sichtbaren einander fremd

Montag, 16. April 2018

beim sehen der katagami, japanischer papierschablonen, große freude: das ist gleichzeitig abstrakt und konkret
dasselbe habe ich am mittag gedacht, als ich den arbeiter der stadtreinigung im signalorangenen anzug beobachtet habe, der mit einer harke über die kleinen pflastersteine des gehweges gebeugt eine mischung aus grau und grün energisch hinter sich herzieht, die stelle, an der er arbeitet ist dunkel, daneben steht außer der reihe eine bank, 
dort, im schattten der weggerückten bank, kratzt er aus den ritzen zwischen den steinen erde und gras

Sonntag, 14. Januar 2018

rosa schält sich mit zunehmendem licht aus der nacht, einen atemzug lang erfüllt es den ganzen riesigen raum über mir, zart und unwahrscheinlich, ein hauch ohne dauer, ohne sicherheit, ob es wirklich da ist, gerade so, gerade noch,
erlischt mit dem anbruch des tages

Mittwoch, 3. Januar 2018

innen hält die schöne dämmerung am morgen und mein weiches licht, das an den wänden entlang schmilzt,
draußen regen, das geräusch des regens, in entgegengesetzter richtung, ein leiser steter zug in den raum hinein